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(Gesellschafts-) Jagd in Deutschland

Karla Groth, Ruhr-Universität Bochum

„Nicht jeder Akt, ein Tier zu töten, [ist] eine Jagd, eine Jagd zielt aber immer auf das Töten des Tieres“ (Krüger, 2016, S.111). Wird darüber hinaus davon ausgegangen, dass der zentrale Aspekt des Gewaltbegriffs und -verständnisses eine physische Schädigung ist, stellt der finale Akt der Tötung die augenscheinlichste Reproduktion von Gewalt dar. Tatsächlich können im Jagdkontext bereits im Vorfeld des Todes von jagdbaren Wildtieren einige mehr oder weniger offensichtlich gewaltvolle Praktiken identifiziert werden. Dadurch „[…], dass Tiere leidensfähige Körper haben, dass sie verletzbar sind und sich Schmerzen entziehen wollen, und dass ihre je individuellen Leben durch absichtsvolle menschliche Handlungen beendet werden können, [scheint es zwingend], Gewaltdefinitionen auch auf Tiere anzuwenden“ (Buschka et al., 2013, S.75). Die Begrifflichkeiten und der damit verbundene Akt der Unterdrückung sowie die Rezeption einer Handlung als physisch und/oder psychisch schmerzhaft waren jedoch lange Zeit allein menschlichen Akteur*innen vorbehalten (ebd.).

Somit ist der Umstand, dass nichtmenschliche Tiere als potentielle Opfer von Gewalt verhandelt werden, ein Novum. (Der Begriff ‚nichtmenschliche Tiere‘ wird im Diskurs rund um das Mensch-Tier-Verhältnis genutzt, um darauf aufmerksam zu machen, dass Menschen eine tierische Spezies sind. Ähnlich wie bspw. bei der Verwendung des Gendersternchens stockt der Lesefluss einen Moment und schafft so Sichtbarkeit für die Dichotomisierung von Menschen und (nichtmenschlichen) Tieren (Kurth et al., 2016, S.8). In Anlehnung an diese Sichtbarmachung wird die Bezeichnung ‚nichtmenschliche Tiere‘ im Rahmen dieses Beitrags äquivalent zu dem geläufigen Begriff ‚Tier‘ verwendet.

Dass nichtmenschlichen Tieren in dem stark anthropozentrisch geprägten Diskurs rund um den Gewaltbegriff als Opfer von Gewaltdelikten lange keine nennenswerte Rolle zukam, scheint insbesondere angesichts der Tatsache, dass ihnen vielfach eher ein Objekt- als ein Subjektstatus zugesprochen wird, nicht weiter verwunderlich (Joy, 2013, S.133; Mütherich, 2015, S.54). Dieser Umstand spiegelt sich im Jagdkontext bspw. durch den Gebrauch des Begriffs ‚Stück‘ wider. Auf diese und weitere jagdliche Begrifflichkeiten wird im späteren Verlauf dieses Eintrags näher eingegangen.

Die Definition von Buschka et al. legt außerdem bereits die klar definierte Aufteilung von Gewaltausübung und -rezeption innerhalb der Jagd nahe. Die Unterteilung schlägt sich in einer Rollenverteilung nieder, die als Manifestation und Reproduktion eines hierarchischen Speziesismus verstanden werden kann (Denkhaus, 2018). Darunter fällt, dass die Jagd durch den Umstand gerechtfertigt wird, dass nichtmenschliche Tiere gejagt werden, die im öffentlichen Diskurs nur selten als handlungstragende Subjekte gelten (Latour, 2007). Gleichwohl auch verschiedene nichtmenschliche Tiere Jagd aufeinander machen können, soll es im Folgenden um die Jagd gehen, die Menschen auf nichtmenschliche Tiere machen und die die „[…] Leidzufügung und […] Tötung“ (Tuider, 2018, S.247) von Wildtieren durch menschliche Akteur*innen beschreibt.

In Abgrenzung zu anderen speziesistischen Praktiken, die ebenso auf der Abgrenzung von Menschen und nichtmenschlichen Tieren basieren und in einigen Fällen ebenfalls mit dem Tod nichtmenschlicher Tiere enden, sind im Kontext der Jagd jedoch die dem Töten der Tiere vorausgehenden Tätigkeiten des „Aufsuchen, Nachstellen, […] und Fangen“ (§ 1 BJagdG Abs.4) der Wildtiere entscheidend. Diese Tätigkeiten können neben dem offensichtlichen Akt der Gewalt, dem Töten, ebenfalls als stressauslösende Ereignisse für nichtmenschliche Tiere gelten und dementsprechend als gewaltvolle Handlungen klassifiziert werden.

Eine institutionelle Einbettung der Jagd

Ausschlaggebend für die Kategorisierung der Jagd als kollektive Gewaltpraktik ist laut Buschka et al. ebenfalls der institutionelle Charakter, der verschiedenen Aspekten der Jagd innewohnt (2013). Ebenso wie die Formen des Tötens nichtmenschlicher Tiere divergieren, sind auch die Beweggründe, die Menschen dazu bringen, diese zu jagen, divers. Sei es die Motivation, Fleisch zu konsumieren oder zu verkaufen (Döhne, 2019), die Populationen nichtmenschlicher Tiere in einer Region auf einem beständig (niedrigen) Level zu halten, Prädatoren zu vernichten, die endemische Lebewesen gefährden (Flitner, 2018), um die Lebensgrundlage anderer Menschen zu zerstören (Krüger, 2016, S.111), oder eine Mischung der genannten Motive. All diese Beweggründe können zu „[der] Tätigkeit des rechtmäßigen Nachstellens und Erbeutens von Wild“ (Numssen, 2017, S.158) führen, an dessen Ende in den meisten Fällen der Tod eines nichtmenschlichen Säugetiers oder Vogels steht. Die Fischerei, in deren Rahmen für gewöhnlich ebenfalls nichtmenschliche Tiere erbeutet und erlegt werden, gilt hingegen gemeinhin nicht als Jagdpraktik (Krüger, 2016). Dabei ist davon auszugehen, dass auch im Rahmen der (professionellen) Fischerei die Akte des Quälens und Tötens von Fischen kein Selbstzweck sind, sondern der Akt des Fischens von einem anderen Ziel geleitet ist.

Ähnliches lässt sich für die meisten Jagdmomente sagen: Die Vielzahl an Motiven, die Menschen zum Jagen bewegen, lassen im Allgemeinen eine Zweckgebundenheit der Jagd erkennen, die diese vom Verfolgen und Quälen nichtmenschlicher Tiere als Selbstzweck abgegrenzt: „Institutionalisierte Gewalt ist Mittel zu anderen Zwecken und wird durch diese Zwecke legitimiert“ (Buschka et al., 2013, S.76). Trotz anderweitiger Ziele können Jäger*innen zusätzlich auch Freude an der Tätigkeit des Jagens selbst empfinden (Döhne, 2019; Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a).

Obschon sich, wie bereits erwähnt, das Ziel, nämlich das Erlegen von Wildtieren, bei allen Jagdformen gleicht, kann die Jagd auf verschiedene Arten ausgeübt werden: „Zwar zielt jede Jagd auf das Erbeuten eines Tieres, doch ist das Phänomen der Jagd durch höchst unterschiedliche Praktiken gekennzeichnet, bei denen alleine oder in der Gruppe, mit oder ohne Waffen, mit oder ohne tierliche Begleitung sowie in unterschiedlichen Umgebungen und auf unterschiedliche Tiere gejagt wird“ (Krüger, 2016, S.113).

Abgrenzen lässt sich die Jagd darüber hinaus rechtlich von dem Akt der Wilderei, der, obgleich in den Tätigkeiten des Hetzens, Nachstellens und Tötens identisch, als unrechtmäßig gilt und aufgrund dieses Umstands gemeinhin als von der Jagd differierende Tätigkeit verstanden wird (ebd., S.115–116; Numssen, 2017, S.341).

Der naturalisierende Diskurs rund um die Jagd

„Die meisten von uns halten es für natürlich, Fleisch zu essen, weil der Mensch seit Jahrtausenden Tiere jagt und verzehrt“ (Joy, 2013, S.122). Diesen historisch gewachsenen Konsum tierischer Produkte belegen die ältesten bisher bekannte figürlichen Darstellungen. Diese bildlichen Zeugnisse einer Jagd, zu finden an Höhlenwänden in Indonesien, sind schätzungsweise 44.000 Jahre alt (Aubert et al., 2019). Angesichts dieses historischen Hintergrunds soll hier auf eine allgemeine geschichtliche Einordnung der Jagd verzichtet werden. Entscheidend für die Ausübung der heutigen Jagd ist diese Zeitspanne in erster Linie deshalb, da sich so die von Melanie Joy angesprochene Naturalisierung des Jagens und des Konsums tierischer Produkte verfestigen konnte, die nach wie vor gesellschaftlich reproduziert wird. Jagen gilt als eine natürliche, meist maskulin konnotierte Tätigkeit (Buschka et al., 2013, S.79). Darüber hinaus haben sich über die Jahrtausende Rituale, Traditionen und Mechanismen ausgebildet, die die heutige Jagd in Deutschland mitunter stark prägen.

Die Frage, warum ausgerechnet eine Jagdszene an den Höhlenwänden abgebildet wurde, kann zwar nicht abschließend beantwortet werden, ein möglicher Erklärungsansatz mag jedoch die große Bedeutung sein, die die Jagd und der damit verbundene Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten aufgrund des Seltenheitswerts gespielt haben, bevor Menschen mit der Domestikation nichtmenschlicher Tiere begonnen haben. Demnach unterscheidet sich der Kontext, in dem heute tierische Produkte hergestellt und konsumiert werden (nicht nur in dieser Hinsicht) erheblich von dem Kontext, in dem Menschen vor rund 44.000 Jahren tierische Produkte gewonnen haben (Joy, 2013, S.21). Doch auch wenn heute in vielen Gesellschaften tierische Produkte durch die permanente Haltung nichtmenschlicher Tiere in einer bedeutend größeren Quantität zur Verfügung stehen als dies in der Vergangenheit der Fall war, nichtmenschliche Tiere bspw. in der Pelzindustrie gezielt gezüchtet werden (Schirrmacher, 2021) und die meisten von ihnen in Schlachthäusern sterben (Braun, 2021), werden Wildtiere nach wie vor gejagt und erlegt: „Mehr als vier Millionen Tiere fallen jährlich allein in Deutschland unterschiedlichen Formen der Jagd zum Opfer“ (Krüger, 2016, S.111; Tuider, 2018, S.247). Ob dieser Umstand eine Aussage darüber zulässt, ob die Jagd für heutige Generationen von Wildtieren angenehmer oder weniger leidvoll ist, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

Der Überlebenstrieb des Wildschweins

Unabhängig davon, dass im Diskurs rund um Jagdmethoden und -praktiken sowie den damit verbundenen Konsum von Wildfleisch Begriffe wie ‚besseres Gewissen‘ (Zülch & Reinwald, 2017, S.4), oder ‚artgerecht‘ fallen, stellte und stellt der Tod von Wildtieren das Ziel der Jagd dar. Und sowohl bei der Jagd mit Speeren als auch mit modernen Schusswaffen sterben nichtmenschliche Tiere. Fraglich ist, ob in dem langsamen Tod durch einen Speer weniger Gewalt enthalten ist als in dem schnellen Tod durch eine Schusswaffe.

Zumal dieser Vergleich hinkt: Auch heute endet das Leben eines nichtmenschlichen Tiers nicht immer mit einem einzelnen Schuss: „Der Todeskampf des getroffenen Tieres dauert oft Stunden“ (Carstens, 2020). Trifft der*die Schütz*in das Tier nicht direkt richtig, sondern schießt es nur an, muss mindestens ein weiterer Schuss abgegeben werden. Aus diesem Grund bleibt die Waffe so lange entsichert, bis der*die Jäger*in sicherstellen konnte, dass das erlegte Tier tatsächlich gestorben ist. Sofern das Tier niedergestreckt wird, erfolgt dies bspw. durch das Überprüfen des Vorhandenseins einer Augenbewegung beim Näherkommen. Bleibt diese aus, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das geschossene Tier noch am Leben ist, verschwindend gering (Döhne, 2019, 00:05:45 -00:06:03). Wird ein nichtmenschliches Tier nur angeschossen und bewegt sich verletzt von dem*der Schütz*in weg, muss sich die schießende Person oder ein Teil der Jagdgesellschaft auf ‚Nachsuche‘ begeben (Numssen, 2017, S.226). In diesem Fall ist der Tod des Tieres nicht schnell oder schmerzlos, die Verfolgung eines angeschossenen Wildtiers kann sich über Stunden hinweg ziehen.

Die Jäger*innen verfolgen bei einer solchen Nachsuche zusammen mit einem ‚Gespann‘ aus Hunden und Hundeführer*in (ebd., S.123) das angeschossene Tier (Deutsche Jagdzeitung TV, 2014b, 00:07:24 – 00:09:32). Die Hunde nehmen die Fährte anhand des ‚Schweißgeruchs‘, also des Geruchs des ausgetretenen Bluts (Numssen, 2017, S.289) auf, und führen den*die Hundeführer*in in die Richtung des verendenden ‚Stücks‘.

Auch wenn nichtmenschliche Tiere in erster Linie als stumme Handlungsträger*innen fungieren und nicht selbst verbal artikulieren können, wie es ihnen geht, ist davon auszugehen, dass die Flucht eines angeschossenen Wildtieres für dieses nicht angenehm ist. Nicht nur hat das Tier eine Verletzung und verliert vermutlich Blut, darüber hinaus befindet es sich in einer Stresssituation und versucht, durch die Flucht, sein Leben zu retten (Carstens, 2020). Unter anderem die Philosophin Hilal Sezgin argumentiert, dass Tiere einen Überlebenstrieb und damit im Umkehrschluss auch eine Abneigung gegen gewaltvolle Handlungen haben, die sie dazu bringen, vor Menschen zu fliehen, da diese als Bedrohung identifiziert werden: „Ein Wildschwein, das auf einer Treibjagd stundenlang vor Menschen und Hunden flieht, hat bereits hinreichend bewiesen, dass ihm sein Leben etwas wert ist, daher ist es völlig unangebracht zu spekulieren, ob ihm oder einem Artgenossen eventuell nichts fehlen würde, wenn man es zu anderer Gelegenheit schmerzlos und angstfrei töten würde“ (2014, S.116).

Anders gesagt wohnt jedem Töten von (nichtmenschlichen) Tieren ein Gewaltmoment inne, sofern der äußerlich herbeigeführte Tod eines Lebewesens als gewaltvoller Akt gilt. Unabhängig davon, ob dieses nichtmenschliche Tier vorher ein glückliches oder artgerechtes Leben geführt hat, oder nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Überlegung, ob der Tod eines wildlebenden Tiers angenehmer oder gar besser sei als der eines in Gefangenschaft lebenden Tiers (Tuider, 2018, S.247; Sezgin, 2014). Diese Frage scheint in erster Linie auf das Wohlbefinden menschlicher Akteur*innen und vor allem Konsument*innen abzuzielen, die den eigenen Fleischkonsum mit der Argumentation rechtfertigen, das Fleisch von nicht domestizierten, glücklichen und vor ihrem Tod in Freiheit lebenden Tieren zu konsumieren (Zülch & Reinwald, 2017, S.4).

Wer darf jagen und welche Richtlinien gibt es dafür?

Das Leben eines Wildtiers beenden darf in Deutschland, wer einen Jagdschein (umgangssprachlich auch das „grüne Abitur“ genannt (Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a,  00:04:45 – 00:04:53) gemacht hat. Im Rahmen der darauf vorbereitenden Kurse werden angehende Jäger*innen auf theoretischer und praktischer Ebene mit verschiedensten Sachverhalten rund um die Jagd konfrontiert und erlernen darüber hinaus das Schießen (Zülch & Reinwald, 2017, S.6). Bestehen sie die darauffolgende Prüfung, ist es ihnen in Deutschland erlaubt, Wildtiere zu verfolgen, zu töten und zu verwerten. Die Jagd ist, trotz steigender medialer Repräsentation weiblicher Jägerinnen, nach wie vor ein eher männlich dominiertes Tätigkeitsfeld. 2017 waren lediglich 24% der Jungjäger*innen, also der Jäger*innen, die erst in den vergangenen drei Jahren ihren Jagdschein erworben haben, weiblich (Zülch & Reinwald, 2017, S.7).

Neben den Kosten (Anwärter*innen zahlen im Schnitt 1.500 bis 2.000 Euro für den Erwerb eines Jagdscheins (ebd., S.6), gibt es auch andere Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um einen Jagdschein zu erhalten: „Nur wer von den Behörden als zuverlässig eingestuft wird, also ein tadelloses polizeiliches Führungszeugnis vorweisen kann, wird zur Jägerprüfung zugelassen“ (ebd.). Der Jagdschein stellt demnach eine mittelbare Kontrolle darüber dar, wem es in Deutschland erlaubt ist, für jagdliche Zwecke eine Schusswaffe zu bedienen oder zu benutzen.

Dass Anwärter*innen bei der Jagprüfung auch auf ihre geistige und körperliche Eignung hin geprüft werden, keine Straftaten begangen haben dürfen und der Umgang mit Waffen fester Bestandteil sowohl der vorbereitenden Kurse als auch der Jagdprüfung selbst sind (ebd., S.6; 11), bedeutet im Umkehrschluss, dass das Bedienen und der Besitz von Jagdwaffen nicht allen Menschen erlaubt ist. Angesichts der Überlegung  „[…] that the mere possession or availability of weapons transforms human beings into a potentially more dangerous form than they would be in its absence“ (Austin, 2019, S.171), scheinen diese Vorsichtsmaßnahmen nicht weiter verwunderlich. Besonders aus der Perspektive des gejagten Wilds ist die Aussage bezüglich der gewaltvollen Verwendung von Waffen zweifelsohne vor allem dann zutreffend, wenn von Sezgins Annahme ausgegangen wird, dass für nichtmenschliche Tiere das Zusammentreffen mit Menschen in den meisten Fällen von Gewalt geprägt ist (2014, S.222).

Infolge der potentiellen Gewalt, die durch das Tragen einer Waffe ausgeht, ist für den Erwerb eines Jagdscheins nicht nur ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis notwendig, die Jagderlaubnis kann auch im Nachhinein entzogen werden, wenn Jäger*innen gegen das Waffen-, Natur- oder Tierschutzgesetz verstoßen, oder die behördliche Zuverlässigkeit verlieren (Zülch & Reinwald, 2017, S.20).

Eine Verortung der Jagd

Die Annahme, dass der Konsum von Wildtieren moralisch eher vertretbar ist als der von Nutztieren aus der Massenhaltung (ebd., S.4), spricht dafür, dass im Kontext der Jagd der Aspekt der Gewalt oftmals verkannt wird. Da Gewalt gegen nichtmenschliche Tiere in den meisten Fällen abseits der konsumierenden Öffentlichkeit stattfindet (Sezgin, 2014, S.222), wird sie häufig negiert oder abgestritten. Verstärkt wird dieser Umstand hinsichtlich der Jagd dadurch, dass sie nur in Ausnahmefällen (wie den hier exemplarisch angeführten Reportagen oder Videomitschnitten) zu einem öffentlich einsehbaren Ereignis wird. Für gewöhnlich nehmen lediglich ausgewählte Teilnehmende von ihr Notiz, für nicht-Eingeweihte bleibt die Jagd eine Aktivität, die größtenteils im Verborgenen stattfindet, was auch die sie begleitende Gewalt zu großen Teilen unsichtbar werden lässt (Joy, 2013). Unter anderem darin unterscheidet sich die Praktik der Jagd von anderen speziesistisch geprägten Tätigkeiten wie bspw. der öffentlichen zirzensischen Vorführung gefangen gehaltener Wildtiere (Sarther, 2021). Denn anders als im Zirkus, wo die räumliche Trennung zwischen begutachteten (Wild-)tieren, Dompteur*innen und Zuschauenden für den Zeitraum der Aufführung weitgehend negiert wird, können bei der Jagd vor allem zwei verschiedene räumliche Sphären ausgemacht werden.

Das wäre einerseits die räumliche Sphäre der Wildtiere, in die der Mensch im Lauf der Jagd eindringt und die sich die Jäger*innen neben dem Körper des erlegten Tiers gewissermaßen aneignen (Morsel, 1997). In diesem Raum existiert das nichtmenschliche Tier als Lebewesen, obgleich ihm aus Perspektive der zuständigen Jäger*innen bereits vor seinem Tod eine objektivierbare Verwertbarkeit (Sauerberg & Wierbitza, 2013, S.74) innewohnt, was sich bspw. in den Fütterungen niederschlägt, die Jäger*innen den Tieren während nahrungsmittelarmen Wintermonaten angedeihen lassen (Numssen, 2017, S.109).

Dieses Anfüttern nichtmenschlicher Tiere birgt aus Sicht der Jäger*innen zwei Vorteile: Einerseits werden die Tiere durch Kirrungen (Lockfütterungen) darauf konditioniert, dass sie an einer bestimmten Stelle, meist in Sichtnähe des Hochstandes, Futter finden, woraufhin sie diese Stellen vermehrt aufsuchen. Andererseits sorgen die Jäger*innen so auch für das Überleben der Wildtiere in futterarmen Zeiten und sichern dadurch ihren Jagderfolg in der kommenden Jagdsaison ab (Sebastian & Gutjahr, 2013, S.102). Der Jäger Roderich Götzfried geht noch ein Stück weiter, spricht gar von einer Bewirtschaftung des Wilds. Dieses Verständnis beinhaltet, dass bei der Jagd auch eine erfolgreiche Ernte eingefahren werden kann, sofern das Wild und das gepachtete Jagdrevier gut gehegt wird (Döhne, 2019, Min. 20:30 – 21:12). Die so am Leben erhaltenen Wildtiere ‚ernten‘ die Jäger*innen dann in der Schusszeit, „[dem] Zeitraum, in dem eine bestimmte Wildart bejagt werden darf“ (Numssen, 2017, S.285).

Dafür gehen Jäger*innen früh morgens oder abends auf die Jagd, wo sie strategisch günstig positioniert ausharren, sodass das Wild keine Witterung aufnehmen kann und darauf warten, dass ein zum Abschuss freigegebenes Tier ins Sicht- und damit ins Schussfeld gelangt. Dies tut ein Wildtier wahlweise da es, wie oben erwähnt, mittels einer Kirrung schon vorher an eben dieser Stelle angefüttert wurde, also daran gewohnt ist, dass es hier Futter finden wird (Döhne, 2019, 00:23:05 – 00:23:09; Numssen, 2017, S.178), da es die nahegelegene Wasserstelle besuchen möchte (Engel & Konnerth, 2020, 00:12:16 – 00:12:33), auf seiner alltäglichen Route vorbeikommt, oder, wenn Jäger*innen im Kollektiv jagen, weil es von Treiber*innen, mit oder ohne Hunden, an dem Aussichtspunkt vorbeigehetzt wird (Jungjäger, 2017).

Jagdliche Rituale

Besonders der letzte Punkt bedeutet für Wildtiere im Vorfeld ihres Todes ein hohes Stresslevel und kann als Gewalterfahrung geltend gemacht werden, da die nichtmenschlichen Tiere die Verfolgungsjagd bei vollem Bewusstsein und teilweise mit schwerwiegenden Verletzungen erleben (Sezgin, 2014).

Ist ein Stück erlegt, folgt zuerst ein ritueller Akt: Das erschossene Wildtier wird mit einem ‚(Inbesitznahme-)Bruch‘, also einem abgebrochenen grünen Zweig, geschmückt (Numssen, 2017, S.50). Was im jagdlichen Kontext als Geste des Respekts vor dem verendeten Tier gilt, wird von Menschen, die nicht jagen, oft kritischer betrachtet (Döhne, 2019, 00:06:26 – 00.06:44). Jäger*innen beglückwünschen sich hingegen anschließend untereinander mit dem rituellen Wortwechsel: „Waidmannsheil“ – „Weidmannsdank“ und stecken sich traditionellerweise auch selbst einen Bruch an die Kopfbedeckung.

Die Antwort „Waidmannsdank“ darf jedoch nur geben, wer ‚Strecke gemacht‘, also mindestens ein Stück geschossen hat. Insbesondere im Kontext der Gesellschaftsjagd spielt dieser rituelle Austausch, genauso wie das Anstecken des Bruchs, eine große Rolle (Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a, 00:11:00 – 00:11:36; Döhne, 2019, 00:07:56 – 00:08:41). Teilweise wird dieser Akt noch von einem auf einem Jagdhorn geblasenen Signal begleitet (Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a, Min. 11:33 – 11:36).

Durch diese gemeinsam erlernte Rituale und den spezifischen Jagdjargon findet eine Stärkung des Gruppengefühls von Jäger*innen statt. Sie werden neben praktischen Tätigkeiten, die für den Erfolg einer Jagd ausschlaggebend sind, unter anderem im Rahmen von Kursen, die zu einem Jagdschein hinführen, vermittelt. Außerdem kann man sich den spezifischen Jargon teilweise durch den Konsum von Podcasts (Pötzsch, 2021a), mittels Blogs (Deutscher Jagverband, 2021) und Reportagen oder Videomitschnitten (Döhne, 2019; Engel & Konnerth, 2020; Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a) aneignen.

Das Wildtier als verwertbares ‚Stück‘ Fleisch

Auf die Respektbekundungen dem toten gegenüber folgt das Aufbrechen und Zerwirken des toten Tieres. Dabei werden die Innereien möglichst zeitnah aus dem geschossenen ‚Stück‘ entfernt, damit das Fleisch nicht verdirbt. Das Abziehen des Fells erfolgt hingegen zeitlich flexibel – teilweise erst einige Tage später (Döhne, 2019, 00:08:42 – 00:09:52; oo:22:03 – 00:22:42).

Der Deutsche Jagdverband schreibt dazu: „Nach dem Erlegen müssen Mägen und Därme so bald wie möglich entfernt werden; erforderlichenfalls müssen die Tiere entblutet werden (z. B. durch Öffnen der Brandadern und der großen Blutgefäße des Trägers)“ (2021). Dieses Aufbrechen und Auseinandernehmen des Tiers hat keine offensichtlich mindernden Auswirkungen auf den Genuss von Wildfleisch: Fast die Hälfte der befragten Jungjäger*innen gaben 2017 an, dass sie selbst gerne solches konsumieren (Zülch & Reinwald, 2017, S.5). Daneben landet das Fleisch auch auf den Tellern von Konsument*innen, die keinen Bezug zu jagdlichen Praktiken haben und Produkte aus Wildfleisch käuflich erwerben und verzehren, ohne mit dem Tier als lebendem Wesen konfrontiert zu werden.

Mutmaßlich assoziieren die wenigsten Konsument*innen das Lebensmittel mit einem im Sterben liegenden Wildtier. Die Jäger*innen sehen sich jedoch permanent mit dieser Transition konfrontiert (Döhne, 2019, 00:07:03 – 00:07:06). Dies wird für Jäger*innen eventuell durch eine sprachliche Verdinglichung der Wildtiere erleichtert. Bspw. durch die Benennung von Tieren als ‚Stücke‘ zeichnet sich die bereits angedeutete Konstruktion nichtmenschlicher Tiere als Objekte ab. Als ‚Stück‘ betiteln Jäger*innen vor allem Schalenwild, das häufig Ziel einer Jagd ist. Dabei ist ausschlaggebend, dass unter dem Begriff bereits das lebende Tier und nicht erst das erlegte Wildtier, also das Stück Fleisch, gemeint ist. In der Theorie soll dieser Begriff vor allem genutzt werden, wenn das Geschlecht nichtmenschlicher Tiere nicht angegeben werden kann oder soll (Numssen, 2017, S.307). Die gesichteten Reportagen und Videomitschnitte legen hingegen nahe, dass der Begriff ‚Stück‘ während der Jagd stellvertretend für alle jagdbaren Wildtiere genutzt wird.

Diese offensichtliche Verdinglichung geht mit einer Abwertung nichtmenschlicher Tiere einher und degradiert diese zu unhörbaren, unsichtbaren ‚Anderen‘ (Wirth, 2011, S.59). Die Unterscheidung zwischen den agierenden Subjekten (den Jäger*innen) und den verfolgten und getöteten Objekten (den Wildtieren) manifestiert und reproduziert sich auch anhand dieses Vokabulars. Somit erfüllt die sprachliche Verdinglichung und Objektivierung von Tieren im Jagdjargon die Funktion eines Distanzierungsmechanismus (Joy, 2013, S.133).

Den Umgang mit sterbenden und verendeten Tieren lernen angehende Jäger*innen in den Jagdkursen ebenso wie das Auseinanderhalten unterschiedliche Wildarten. Letzteres ist einerseits notwendig, da es genau geregelte, saisonale und von Jahr zu Jahr divergierende Abschusslisten gibt, also nicht jedes nichtmenschliche Tier zu jeder Zeit geschossen werden kann. Diese sogenannte Freigabe, der entnommen werden kann, welche Wildtiere im Rahmen der jeweiligen Jagd zum Abschuss freigegeben sind, wird am Anfang von Gesellschaftsjagden laut verlesen (Jungjäger, 2017). Andererseits soll durch die geschulte Bestimmung von Wild auch das sogenannte Ansprechen erlernt werden, durch das nicht nur sichergestellt werden soll, dass die richtigen Wildtiere geschossen werden, sondern auch Jagdunfälle, bei denen sich Jäger*innen regelmäßig gegenseitig verletzen, minimiert werden sollen (Pötzsch, 2021a, 00:04:57 – 00:05:10).

Darüber hinaus geht es in den Jagdkursen auf theoretischer Ebene um den anschließenden Umgang mit dem Wildbret, also beispielsweise die Vermarktung (Döhne, 2019, 00:22:41 – 00:22:47). Denn zur Jagd gehört nicht nur das Anpirschen an, Warten auf und Schießen des nichtmenschlichen Tiers, sondern auch das anschließende Auseinandernehmen des toten Leibes und dessen Transformation in Fleisch, also ein Nahrungsmittel: „Es müssen Tiere sterben, damit man Fleisch essen kann. […] Und deswegen hab ich auch kein schlechtes Gewissen. Und […] außerdem hab ich jetzt hiermit […] ‘n schwaches Stück erlegt und dafür kann ich ‘n anderes Stück […] leben lassen. Und so ist das halt in der Natur. […] Fressen und gefressen werden, ne?“ (ebd., 00:07:25 – 00:07:47).

Hier zeigt sich erneut: Wildtiere gelten bereits vor dem Abschuss verstärkt als verwertbare Objekte und weniger als agierende, handlungstragende Subjekte (Sauerberg & Wierbitza, 2013). Dadurch, dass ihnen, wie eingangs erläutert, der Subjektstatus nicht zuerkannt wird, werden sie ‚tötbar‘ (Haraway, 2016, S.234-235) und damit auch jagdbar.

Welche nichtmenschlichen Tiere in die Kategorie ‚tötbar‘ fallen, hängt von verschiedenen Faktoren und Narrativen ab. Laut Melanie Joy wird vor allem anhand der Dichotomie ‚essbar‘/ ‚nicht-essbar‘, entschieden, welche nichtmenschlichen Tiere ‚tötbar‘ sind und welche nicht (2013). Die Zuteilung nichtmenschlicher Tiere in diese beiden Kategorien ist jedoch stark von kulturellen Einflüssen geprägt und kann nicht nur von Epoche zu Epoche, sondern ebenso von Region zu Region stark divergieren und somit nicht verallgemeinert werden (ebd., S.146).

Die Tötbarkeit von Wildtieren

Stellvertretend für die Jagd in Europa kann anhand der nichtmenschlichen Tiere, die in die Jagd in Deutschland verwickelt sind, eine klare Grenze zwischen ‚essbaren‘ und ‚nicht-essbaren‘ Tieren aufgezeigt werden. So sind bei der Jagd in Mitteleuropa neben den gejagten Wildtieren besonders Hunde präsent, die als sogenannte Helfertiere gelten und die Jäger*innen beispielsweise bei der Nachsuche nach einem angeschossenen Wildtier unterstützen, (Krüger, 2016, S.113; Pötzsch, 2021b). Sie werden sowohl als Subjekte als auch als Individuen anerkannt. Hieran zeigt sich, dass keineswegs alle nichtmenschlichen Tiere zum Abschuss freigegeben sind und dass die, die es sind, nicht in jedem Alter und zu jeder Zeit gejagt werden dürfen (Döhne, 2019). Die Jäger*innen müssen sich wie bereits erwähnt an Abschlusslisten halten, die vorgeben, wie viele Tiere ‚erlegt‘ werden dürfen. Wildtiere, die in Deutschland gejagt werden, sind also nicht zu jedem Zeitpunkt und in jeder Kondition ‚tötbar‘.

Im Allgemeinen greift der Prozess der Tötbarmachung jedoch bereits vor dem eigentlichen Jagdausflug. Denn schon vor der Jagd und auch außerhalb der Jagdsaison wird der Wert von Wildtieren in erster Linie anhand ihrer objektivierbaren Verwertbarkeit gemessen (Sauerberg & Wierbitza, 2013, S.74). Anders ausgedrückt wohnt Wildtieren bereits bevor sie zu Wildbret verarbeitet werden ein gewisser Tauschwert inne. Besonders offensichtlich spiegelt sich dieser in dem ökonomischen Aufwand für das Pachten eines Jagdreviers wider. Oder in der Gebühr, die nicht nur für die Teilnahme an einer Drückjagd, sondern auch für den Abschuss einzelner Stücke entrichtet werden muss (Deutsche Jagdzeitung TV, 2014a). Während die Fütterung, sowie die Hege eines Reviers und darin lebenden Wilds meist den pachtenden Jäger*innen oder den zuständigen Förster*innen zufällt, kann die Gesellschaftsjagd, bspw. in Form einer Treibjagd, nahezu ein Massenereignis sein (ebd.; Deutsche Jagdzeitung TV, 2014b). Daher wird auch der Erfolg einer solchen nicht daran bemessen, wie viele Stücke ein*e einzelne*r Schütz*in geschossen hat, sondern wie viele Wildtere insgesamt erlegt wurden: „Die Gesamtheit des auf der Jagd erlegten Wildes [ist] das Wild [,das] zur Strecke gebracht [wird]“ (Numssen, 2017, S.305). Eine erfolgreiche Jagd endet mit einer „ausreichenden“ Anzahl an gejagten und damit erlegten Wildtieren.

Gesellschaftsjagd

Besonders bei einer Treib- oder Drückjagd agieren mehrere Menschen mit verschiedenen Aufgaben und an unterschiedlichen Stellen zusammen. Bei dieser Jagdform handelt es sich um eine „Gesellschaftsjagd, wobei zahlreiche Schützen, Treiber, Hundeführer und Hunde strategisch zusammenwirken, um so viel Wild (Hase, Kaninchen, Fasane [sic!], Schalenwild) wie möglich zu erlegen“ (Numssen, 2017, S.314). Diese Aufzählung lässt bereits darauf schließen, dass nicht allen an der Jagd beteiligten Akteur*innen die Aufgabe des Schießens und somit des Tötens des gejagten Wilds zukommt. Dennoch kann eine kollektive Verantwortung festgestellt werden, da die genannten Akteur*innen zusammenwirken und die in eine Treibjagd involvierten Menschen einem gemeinsamen Skript folgen, das dazu führen soll, möglichst viel ‚Strecke‘ zu machen (Austin, 2019).

Ohne die Treiber*innen könnten die Schütz*innen keine Wildtiere erlegen. Sie sind für den Jagderfolg darauf angewiesen, in einem Akteur*innen-Netzwerk zusammenzuarbeiten. Der Akteur-Netzwerk-Theorie folgend, können zu dem Netzwerk, in welches beispielsweise der*die Schütz*in eingebettet ist, neben den anderen menschlichen Akteur*innen auch die gejagten nichtmenschlichen Tiere sowie sogenannte Helfertiere (Krüger, 2016, S.113) gehören (Latour, 2007). Die unterschiedlichen menschlichen und nichtmenschlichen Akteur*innen agieren im Kontext der Treibjagd demnach zusammen. Darüber hinaus spielen auch Artefakte, beispielsweise die Jagdwaffe, eine entscheidende Rolle im Prozess der Jagd, denn ohne sie könnte ein*e Schütz*in das nichtmenschliche Tier kaum erlegen. Welche Waffe vorhanden ist und ob überhaupt ein Artefakt zur Hand ist, welches als Waffe eingesetzt werden kann, ist demnach ebenso ausschlaggebend für den Erfolg der Jagd. Während die Höhlenzeichnung in Indonesien noch eine Horde von Menschen zeigt, die mit Speeren auf die gejagten Tiere losgehen (Aubert et al., 2019), kommen heute fast ausschließlich Schusswaffen zum Einsatz und jede*r angehende Jäger*in muss das Schießen lernen und in der Prüfung erfolgreich vorführen können (Döhne, 2019).

Im Sinne Bruno Latours lässt sich daraus schlussfolgern, dass der Tod eines Wildtiers ohne die Waffe in der Hand des*der Schütz*in nicht möglich wäre (1999, S.176–177). Aus einer posthumanistischen Perspektive liegt demnach die Verantwortung für den Tod des jeweiligen Tieres bei dem gesamten Netzwerk, das den*die Schütz*in am Tag der Jagd begleitet und Teil dessen er*sie ist. Die Handlungsmacht und somit auch die Gewalt, die dem Tod des nichtmenschlichen Tiers innewohnt, geht nicht alleine von dem*der Schütz*in aus, auch wenn diese*r, sofern nicht gerade ein Kamerateam dabei ist, meist alleine auf dem Hochsitz sitzt oder im Wald ausharrt und ebenfalls alleine das Stück Wild er- oder anschießt und im Endeffekt erlegt (Carstens, 2020).

Dadurch, dass die Schütz*innen einerseits alleine auf dem Hoch- oder Ansitz ausharren und (im Fall einer Drückjagd) darauf warten, dass die designierten Treiber*innen das Wild vorbeihetzen, andererseits aber in vielen Jagdkontexten auf eben diese Zusammenarbeit angewiesen sind und ohne die sie umgebenden Artefakte mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit andere Entscheidungen treffen würden und andere Resultate erzielen würden, erweckt die Jagd den Anschein einer solitären Kollektivaktivität.

Karla Groth studies in the master program Social Science (Culture & Person) at the Ruhr-Universität Bochum (September 2021)

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